Umgang mit Leistungsdruck

21.12.22
Lennart Stechmann
Gründer, Podcast-Host und Coach (mental, sozial)

Das Final Four der EuroLeague steht an! Ein Event, das seit 2019 unmittelbar mit einem Namen verbunden ist: Luka Doncic. Als damals 19-Jähriger führte er Real Madrid zum Titel und wurde zum Regular-Season- sowie Finals-MVP. Direkt im Anschluss setzte er seinen kometenhaften Aufstieg bei den Dallas Mavericks in der NBA fort, was einen unglaublichen Hype auslöste, weil viele (amerikanische) Kritiker ihm das nicht zugetraut hatten. Weit gefehlt. Über Nacht hat „Luka-Magic“– wie es die Kommentatoren gerne in ihre Mikros rufen – auch die beste Liga der Welt in seinen Bann gezogen! In dieser Kolumne geht es darum, was es neben außergewöhnlichem Talent noch braucht, um eine solche Cinderella-Story Realität werden zu lassen. Es geht dabei vor allem um das Miteinander, bei dem alles stimmig ist und passt. Dazu gehört vor allem das Beziehungsgeschehen, welches ein junges Talent dabei unterstützt, sich in der Welt des Profisports zurechtzufinden.

Die Rolle von Eltern und Coaches

Eltern haben einen großen Einfluss auf ihre Kinder , indem sie ihnen wichtige Glaubenssätze mit auf den Weg geben, auf die sie immer wieder zurückgreifen. Im Laufe des Lebens kommen zu den bestehenden Glaubenssätzen neue hinzu – besonders in neuen Umgebungen durch Personen, die eine Bedeutung haben. Im Jugendsport nehmen Coaches für junge Spieler oft eine solche Rolle ein, während nach dem Übergang in den Profisport mehr und mehr Beziehungen zu erfahrenen Mitspielern Orientierung bieten. Sie haben großen Einfluss darauf, wie Spieler Herausforderungen sowie den Leistungsdruck in ihrer Karriere wahrnehmen und damit umgehen. Dies ist einentscheidender Faktor dafür, welche Talente es tatsächlich schaffen, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten, und welche womöglich immer hinter den Erwartungen zurückbleiben.

In einer Basketballkarriere zeigen sich solche Glaubenssätze zum Beispiel im Umgang mit Fehlern. Abhängig davon, wie streng ein Spieler sich selbst gegenüber ist, wird es ihm leichter oder schwerer fallen, einfach drauflos zu spielen und Dinge auszuprobieren. Wer immer nur versucht, das perfekte Basketballspiel zuspielen, wird unweigerlich scheitern und seine Aufmerksamkeit primär auf Fehler lenken. Wirklich Spaß macht das nicht, und aus der Hirnforschung weiß man, dass Lernen so nicht stattfinden kann. Menschen lernen, wenn sie Spaß haben und Neues ausprobieren, im besten Fall ohne große Angst vor Fehlern. Luka Doncic hat seinen gefürchteten Stepback-Dreier beispielsweise durch Zufall in einem Spiel ausprobiert und erst im Anschluss gemerkt, wie wertvoll diese Waffe für sein Spiel ist. Mittlerweile trainiert er diesen Wurf akribisch, damit er ihn im Spiel so effektiv wie möglich einsetzen kann. Und doch wird man auch immer wieder auf der großen Bühne Neues in seinem Spiel entdecken, was noch nicht explizit trainiert wurde. Es lässt sich einfach nicht alles Planen.

So etwas kann nur aufgebaut bzw. aufrechterhalten werden, wenn Coaches ihren Spielern eine gewisse Freiheit einräumen und sie nicht ausschließlich an Ergebnissen messen.Vor allem im Jugendbereich ist es unfassbar wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in welcher der Spaß am Spiel gefördert und nicht unnötig Druck aufgebaut wird. Eine entscheidende Frage ist für Coaches daher, woran sie gemessen werden: Geht es darum, möglichst viele Siege einzufahren, oder darum, bestmögliche Bedingungen zu schaffen, um viele Spieler zu entwickeln?

Es ist kein Zufall, dass Doncic den Grundstein zu seiner Basketballkarriere in Spanien gelegt hat, wo in den Hallen eine Kultur herrscht, bei der es nicht krampfhaft um Sieg und Niederlage geht, sondern um den Spaß und die Freude am Spiel. Wer sich das nicht vorstellen kann, dem sei ein Besuch empfohlen: Übermotivierte bis verbitterte Coaches und Eltern wird man in spanischen Hallen nicht finden, sondern ausschließlich Menschen die Spaß daran haben den Kindern beim Spielen zu zu sehen, egal für welches Team sie auflaufen. Es werden gemeinsam Lieder angestimmt und im Anschluss wird jeder für seinen Beitrag zum Spiel gefeiert. In einem solchen Umfeld wird es an talentierten Spielern nicht mangeln – und doch stellt sich irgendwann die berechtigte Frage, ob sie den Schritt in den Profisport meistern, wo es dann unweigerlich um Erfolg geht und weitere Herausforderungen abseits des Courts warten.

Veteranen als Unterstützung

In dieser Übergangsphase ist es für junge Spieler sehr hilfreich, erfahrene Veteranen im Team zu haben. Hier wieder der Verweis auf Luca Doncic, der in Dallas mitDirk Nowitzki einen Mitspieler vorgefunden hat, der genau wusste, wie es ist, wenn man als europäisches Top-Talent versucht, in der NBA zu Fuß zu fassen. Neben den Herausforderungen auf dem Court geht es darum, sich in einem völlig neuen Umfeld zurechtzufinden, neue Routinen zu entwickeln, sich in ein Team zu integrieren und das Vertrauen der Mitspieler und der Coaches zu gewinnen. Insbesondere die soziale Komponente (Leadership, Kommunikation,Impulskontrolle) des Sports ist oft ein Feld, auf dem junge Talente noch viel zu lernen haben und sich an erfahrenen Spielern orientieren können bzw. auch mal von ihnen zurechtgewiesen werden. Am Ende des Tages können jedoch selbst die besten Glaubenssätze, das größte Talent und empathische Mentoren nicht garantieren, dass der Sprung gelingt. Denn Basketball ist und bleibt einTeamsport, somit sind die Spieler immer auch abhängig von ihren Mitspielern.

Den Coaches kommt in einem Team, in dem Potenzialentfaltung für (junge) Spieler – trotz extremerLeistungsansprüche – möglich wird, eine Schlüsselrolle zu. Mit ihrer Art zu handeln bestimmen sie die Bewertungskriterien innerhalb eines Teams und damit den individuellen Umgang mit Herausforderungen und Fehlern. Die Ansprachen in der Vorbereitung und am Spieltag selbst beeinflussen, mit welcher Fokussierung die Spieler in Spiele gehen. Sieg oder Niederlage; Spaß oder Kampf; Vertrauen oder Zweifel usw.

Doch eins ist klar: Luca-Magic kann nur entstehen, wenn Risiken eingegangen werden dürfen (zum Beispiel Stepback-Dreier) und selbst bei nicht geglückten Aktionen weiterhin alle hinter einem stehen und Vertrauen haben. Natürlich gibt es auch hier ein Zuviel des Guten, weshalb Coaches und Führungsspieler an geeigneter Stelle eingreifen sollten, wenn es zu wild wird und der Teamerfolg wortwörtlich auf dem Spiel steht. Und diese Balance ist es, die ein Team auf unterschiedlichen Ebenen finden muss, abhängig von den gegeben Zielen (zum Beispiel Spielerentwicklung vs. kurzfristiger Erfolg).

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